
Rechtswidrigkeit des Fangens von Stadttauben
veröffentlicht am 10.02.2025 verfasst von RAin Nadine Hieß
Die Stadt Limburg plant, 200 Tauben einzufangen und umzusiedeln. Rechtsanwältin Nadine Hieß hat die rechtliche Zulässigkeit dieser Maßnahme untersucht.
Frau Hieß, die Stadt Limburg möchte 200 Stadttauben mit sogenannten Fangschlägen einfangen und nach Bayern bringen lassen. Ist dieses Vorhaben rechtlich zulässig?
Zunächst einmal muss man festhalten, dass das Einfangen von Tauben mit Fangschlägen grundsätzlich unter die Bundesartenschutzverordnung sowie das Tierschutzgesetz fällt. Die Straßentauben sind wildlebende Tiere und unterliegen damit bestimmten Schutzvorschriften. Nach den einschlägigen Vorschriften ist es verboten, Vögel mit Fallen oder Netzen zu fangen, es sei denn, es gibt eine gesetzlich anerkannte Ausnahme. Eine solche Ausnahme müsste durch die zuständige Behörde genehmigt werden und setzt voraus, dass die Maßnahme aus gewichtigen Gründen erforderlich ist. Auch das Europarecht stellt strenge Vorgaben: Die EU-Vogelschutzrichtlinie und die Berner Konvention verbieten den Fang von Vögeln mit Fallen, sofern keine zwingenden Ausnahmetatbestände vorliegen.
Welche Gründe könnten eine solche Ausnahme rechtfertigen?
Das Gesetz sieht Ausnahmen insbesondere dann vor, wenn erhebliche wirtschaftliche Schäden drohen oder es um den Schutz der Gesundheit geht. Dabei müssen jedoch abstrakte Gefahren nachgewiesen werden, für die konkrete Anhaltspunkte vorliegen. In Bezug auf die Stadttauben in Limburg gibt es bislang keine wissenschaftlich fundierten Belege dafür, dass sie relevante Gesundheitsrisiken darstellen oder erhebliche wirtschaftliche Schäden verursachen. Auch das Argument, Taubenkot könne Gebäude schwer beschädigen, ist nach aktuellem Forschungsstand nicht haltbar. Selbst eine Beschädigung einzelner Gebäude würde nicht ausreichen, um einen ausreichenden Grund im Sinne des Gesetzes darzustellen. Zudem zeigen Erfahrungswerte, dass das Einfangen einzelner Tiere keine langfristige Lösung bietet, weil durch das frei werdende Nahrungsangebot neue Tauben nachrücken.
Das heißt, die Stadt Limburg könnte gar keine Genehmigung für den Taubenfang bekommen?
Genau. Die rechtlichen Hürden für eine Ausnahmegenehmigung sind sehr hoch. In meiner Prüfung komme ich zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine solche Genehmigung nicht erfüllt sind. Weder ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden noch eine mögliche Gesundheitsgefährdung sind ausreichend belegt. Zudem wäre das Einfangen der Tauben nicht verhältnismäßig, weil es mildere Alternativen gibt. Auch das Europarecht spricht gegen diese Maßnahme: Die EU-Vogelschutzrichtlinie erlaubt nur in wenigen Ausnahmefällen den Fang und verlangt, dass es keine alternative Lösung gibt. Dies ist hier nicht gegeben.
Welche Alternativen wären das?
Es gibt erprobte Methoden wie das sogenannte Augsburger Modell. Dabei werden betreute Taubenschläge eingerichtet, in denen die Tiere gezielt gefüttert werden. Gleichzeitig werden dort die Eier gegen Attrappen ausgetauscht, sodass die Population langfristig schrumpft. Dieses Modell wird bereits in mehreren deutschen Städten erfolgreich praktiziert. Im Gegensatz zum Fang und der Umsiedlung ist es eine nachhaltige und tierschutzgerechte Methode. Zudem könnte die Stadt stärker auf Präventionsmaßnahmen setzen, etwa durch bauliche Veränderungen oder ein konsequentes Fütterungsverbot.
Wie bewerten Sie das Vorgehen der Stadt aus tierschutzrechtlicher Sicht?
Das Vorhaben steht im Widerspruch zu den geltenden Tierschutzgesetzen. Der Tierschutz hat in Deutschland Verfassungsrang und ist in Art. 20a des Grundgesetzes verankert. Maßnahmen, die Tiere unnötigem Stress oder Leiden aussetzen, müssen sich besonders strengen Prüfungen unterziehen. Das Einfangen der Tauben mit Fangschlägen führt unweigerlich zu erheblichem Stress für die Tiere, insbesondere da Tauben sehr standorttreue Tiere sind. Auch das Europarecht stellt hohe Anforderungen an die Rechtfertigung solcher Eingriffe in den Artenschutz. Die Maßnahme wäre aus meiner Sicht nicht gerechtfertigt.
Was raten Sie der Stadt Limburg?
Die Stadt sollte sich stärker mit nachhaltigen Konzepten auseinandersetzen, die langfristig wirksam sind und tierschutzrechtlich unproblematisch sind. Das Augsburger Modell wäre eine deutlich bessere Alternative, die auch von Tierschutzorganisationen unterstützt wird. Kurzfristige Maßnahmen wie das Fangen und Umsiedeln lösen das Problem nicht, sondern verschieben es nur.